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Schiri-Soll – das leidige Thema

© Torsten Bogdenand / pixelio.de

Presseschau: Aus den Nachbarkreisen

Alle Jahre wieder: Die Fußballvereine stellen zu wenige Unparteiische. Es hagelt Geldstrafen und Punktabzüge. Der SV Altenmittlau muss beispielsweise 350 Euro zahlen und bekommt einen Zähler abgezogen. Darüber ärgerte sich jetzt vor allem der Vorsitzende Günther Noll. Die GNZ beleuchtet das leidige Thema Schiedsrichter-Soll in der Ausgabe vom 4. April.

Von Patrick Berger

Gelnhausen. Als Günther Noll Ende des vergangenen Jahres einen Brief vom Hessischen Fußball-Verband (HFV) in seinem Postfach liegen sah, ahnte er bereits Böses. Es war ein Schreiben über die Gebühren und Punktabzüge als Strafe für das sogenannte „Nichterfüllen des Schiedsrichter-Pflichtsolls“. Der SV Altenmittlau, an dessen Vereinsspitze Günther Noll steht, wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 350 Euro und einem Punkt Abzug verurteilt. Darüber ärgert sich der Funktionär bis heute noch maßlos. Die Strafe sei schlichtweg unfair, zumal sich der Verein intensiv darum bemühe, neue Schiedsrichter zu gewinnen, für den Mangel letztlich aber nichts könne.

Alle Jahre wieder: Die Vereine haben zu wenig Unparteiische in ihren Reihen und werden wegen der Defizite bestraft. So hat nach Paragraf 24 der HFV-Spielordnung jeder Verein für jede Seniorenmannschaft sowie für jede Frauen-Mannschaft, für die Jugendabteilung und für jede A- und B-Juniorenmannschaft ab der Hessenliga einen geprüften Schiedsrichter zu stellen. Bei Nichterfüllung des Pflichtsolls ist eine Gebühr zu entrichten (siehe Hintergrundkasten). Im Wiederholungsfall verdoppelt sich die Gebühr, und es erfolgt ein Punktabzug.
Darüber sind die Klubs immer wieder aufs Neue verärgert. Einige Vertreter werfen dem Verband sogar Geldmacherei vor. Für Günther Noll beispielsweise ist das Schiri-Soll „ein Unding“. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Vereine bestraft werden, ohne etwas dafür zu können. Was ihn besonders auf die Palme bringt: Als Schiedsrichter leitete er in der vergangenen Saison 25 Spiele, besuchte allerdings nur vier der fünf geforderten Lehrabende – „dabei habe ich stets entschuldigt gefehlt“. In seiner Funktion als Vorsitzender war er im 100. Altenmittlauer Jubiläumsjahr mit der Organisation von Vereinsfesten beschäftigt. „So etwas sollte vom Verband berücksichtigt werden.“
Legen die Vereine wirklich großen Wert, wie Noll anfangs beteuert, auf die Gewinnung neuer Referees, oder wird das Thema über die Saison hinweg vernachlässigt und einfach beiseite geschoben?
„Es wird sich zu wenig um den Erhalt der eigenen Schiedsrichter gekümmert“, meint der Gelnhäuser Kreisschiedsrichterobmann Markus Breidenbach. Selten würden die eigenen Schiedsrichter von Vereinsseite gefragt, wie es denn bei ihnen laufe, ob alles in Ordnung sei. „Hier wird sich dann gewundert, wenn die Pflichtspiele nicht erreicht werden oder zu wenig Sitzungen besucht wurden.“ Rückfragen aus denVereinen würden beim Schiedsrichterausschuss kaum eintreffen. Die Vereine seien nur dann präsent, wenn es zu spät ist.
Der 69-jährige Noll, selbst „seit über 40 Jahren“ als Unparteiischer aktiv, ist der Meinung, er und sein SV Altenmittlau würden viel Überredenskraft aufwenden, um Neulinge zu gewinnen. „Wir bemühen uns um neue Schiris, die Jugend von heute hat aber andere Interessen.“ Die Konkurrenz zu anderen Hobbys sei groß.
Dem stimmt Breidenbach wiederum zu. Es sei „unheimlich schwer“, junge Leute für dieses Amt zu motivieren. Aus diesem Grund hat die Vereinigung Gelnhausen für das kommende Jahr einen Schiedsrichter-Tag geplant.„Hier wollen wir interessierten Personen die Gelegenheit geben, sich über das Amt zu informieren und bei einem Turnier selbst mal reinzuschnuppern.“ Davon erhofft sich der Ausschuss einen nachhaltigen Gewinn von Unparteiischen.
Den Vereinen, die auch in diesem Jahr wieder hohe Strafen einbüßen müssen, würde das nur entgegenkommen.
Im Fußballkreis Gelnhausen lagen die Gebühren 2011 bei 5.340 Euro, 2012 stiegen sie sogar auf 10.605 Euro an. In der aktuellen Saison 2012/2013 sind es nur noch 5.640 Euro.

„Wir sind den Vereinen mit den Reformen, die auf dem Verbandstag im Juni in die Wege geleitet wurden, entgegengekommen“, meinen HFV-IT-Referent Thomas Kaden und Hessens Verbandsfußballwart Jürgen Radeck unisono.

In der Tat: Durch die Neuregelung der Spielordnung, die beim Verbandstag im Juni 2012 beschlossen wurde, wurden die von Schiedsrichtern zu leitenden Spiele beispielsweise von 15 auf zwölf zurückgestuft, Turniere zählen ab einer gewissen Dauer doppelt. Hessenweit haben sich die Änderungen also zweifelsohne bezahlt gemacht. Die Gebühren, die die Klubs an den Hessischen Fußball-Verband zahlen müssen, stiegen 2011 noch von rund 200.000 Euro auf über 280.500 Euro (2012) an. In diesem Jahr sind es „nur“ noch 197.000. „Das ist immerhin ein Erfolg“, meint Noll knurrend. Das sei aber immer noch eine „sehr hohe Summe“. „Das stimmt. Mehr kann der Verband aber nicht tun“, meint Radeck. Ansonsten hätte man noch mehr Probleme mit den  Schiedsrichtern. Vor allem im Jugendbetrieb hätte man kaum mehr Unparteiische.
Eine überraschend pragmatische Sichtweise hat Joachim Heldt, seines Zeichens Vorsitzender des SV Germania Horbach. Der ehemalige Oberligist steckt zurzeit in der A-Liga mitten im Abstiegskampf. Jeder Punkt könnte später entscheidend sein. Umso ärgerlicher aus Sicht des SVH, dass zum Saisonende zwei Zähler wegen Nichterfüllens des Schiedsrichter-Solls abgezogen werden. „Natürlich ist das bitter“, meint Heldt, „da müssen wir uns aber an die eigene Nase fassen.“ Dass die Vereine unschuldig sind, möchte er so nicht stehen lassen. „Es könnte mehr getan werden, sowohl von unserer Seite als auch vonseiten der Zuschauer, die viele Schiedsrichter durch ihr Verhalten vergraulen.“ Eine Regelung zum Schiedsrichter-Soll muss es seiner Ansicht nach aber weiterhin geben. „Sonst würde jeder sagen: Ach, was interessieren mich die Schiris?!“ Heldt hat allerdings schon einen interessanten Vorschlag, den er indirekt an den HFV richtet. „Das Geld, das im Kreis zusammenkommt, soll unter den Schiris aufgeteilt werden, die ihr Soll erfüllt haben, anstatt es auf die Sparbücher des großen DFB gutzuschreiben – das wäre doch gerecht.“ Und auch Günther Noll hätte bereits eine Idee: „Es gibt Schiedsrichter, die pfeifen 50 Spiele im Jahr. Warum wird so ein Schiri nicht gleichgestellt mit einem, der exakt zwölf Spiele pfeift?!“
Veränderung wird es in den nächsten drei Jahren, zum Ärgernis der Vereine, keine geben. Erst beim nächsten Verbandstag, der 2016 in Grünberg stattfinden wird, könnte es wieder Neuerungen geben – spätestens dann wird das leidige Thema Schiedsrichter-Soll erneut aufgerollt.

Zur Erklärung: Laut Paragraf 24 der Spielordnung des Hessischen Fußball-Verbandes ist der Stichtag für das Schiedsrichter-Pflichtsoll der 30. Juni. Bis zu diesem Zeitpunkt werden dem Verein die Schiedsrichter angerechnet, die im abgelaufenen Spieljahr an mindestens fünf Lehrveranstaltungen teilgenommen sowie zwölf Spiele geleitet haben. Für jeden fehlenden Schiedsrichter ist laut Paragraf 24 a „Nichterfüllung des Schiedsrichter-Pflichtsolls“ eine Gebühr zu entrichten. Oberhalb der Hessenliga sind es 750 Euro, in der Hessenliga 500 Euro, in den Verbandsligen 400Euro, den Gruppenligen 250 Euro, den Kreisoberligen 175 Euro und den Kreisligen 80 Euro. Bei Vereinen mit Senioren und Frauen-Teams gilt die jeweils klassenhöhere Mannschaft. Ein Punktabzug erfolgt erst im Wiederholungsfall. Dann verdoppelt sich auch die Gebühr.

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