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KSO Sebastian Poth im Interview

Sinkende Schiedsrichterzahlen, zunehmende Gewalt gegenüber Unparteiischen, Amtsübernahme während der Corona-Krise – der neue Schiedsrichterboss des Fußballkreises Büdingen ist nicht zu beneiden. Dennoch blickt Sebastian Poth im Interview optimistisch in die Zukunft. Im Gespräch mit dem Kreisanzeiger spricht der 42-Jährige über den aktuellen Ausnahmezustand und seine Aufgaben in den kommenden vier Jahren.      

Sie sind seit Jahren Kreisadministrator. Warum haben Sie jetzt zusätzlich den Posten des Kreisschiedsrichterobmanns übernommen?
Die Stelle war nach dem Rückzug von Edgar Schäfer vakant. Jetzt kann ich das zurückgeben, was ich jahrzehntelang als aktiver Schiedsrichter bekommen habe. Der Kreisschiedsrichterausschuss ist schließlich nichts anders als ein Verein, der geführt werden muss. 

Sie wurden während des Kreisfußballtags am 7. März offiziell als neuer Kreisschiedsrichterobmann bestätigt. Wenige Tage später legte Corona den Sport lahm. Gab es überhaupt schon eine erste Amtshandlung des neuen Schiri-Chefs?
Vor der Corona-Zeit fand ein Schiedsrichterlehrabend statt, an dem ich krankheitsbedingt leider nicht teilnehmen konnte. Zudem hatten wir eine konstituierende Sitzung, in der wir den Fahrplan für die kommenden vier Jahre festgelegt haben. Extrem wichtig für mich: Hinter mir steht ein starkes Team mit vielen Koryphäen. Marcus Schmidt, Volker Höpp, Matthias Kristek, Stefan Bretthauer, Rolf Seifert, Kai Neumann, Olaf Kehne und Co. unterstützen mich extrem gut.
 
Aufgrund des ausgesetzten Spielbetriebs blieb mehr Zeit für eine geregelte Übergabe mit Ihrem Vorgänger Edgar Schäfer, oder?
Edgar Schäfer führte mich schon im vergangenen Jahr in die eine oder andere Thematik mit ein. Das klappte hervorragend. Wenn der Spielbetrieb wieder anläuft, ist in Sachen Spielansetzungen – speziell in den Nachbarkreisen –  sicherlich die eine oder andere Einweisung nötig.

Zur aktuellen Lage: Sollte die Saison unter allen Umständen fortgesetzt oder abgebrochen werden?
Eine schwierige Frage. Es kommt auf den Zeitpunkt an. Sechs Wochen sollten wir für den Saisonendspurt einplanen. Also müsste spätestens Mitte Mai wieder der Ball rollen. Ich denke nämlich, dass der Hessische Fußball-Verband (HFV) die Saison trotz neuer Regelung bis zum 30. Juni beenden möchte, um dann die neue Runde – wie üblich – im August starten zu können. Diese Lösung würde die Vereine allerdings vor eine große Herausforderung stellen, weil es quasi keine Sommerpause gebe.

Könnten im Falle einer Rundenfortsetzung, inklusive vieler englischer Wochen, überhaupt alle Spiele mit Schiedsrichtern besetzt werden?
Das wäre eine große Herausforderung für uns. Wegen des Aderlasses hatten wir zuletzt an ganz normalen Sonntagen 100 Prozent Auslastung. Gerade im Reservebereich könnten wir dann nicht alle Partien besetzen. Dann müssten Vereinsbetreuer die Spielleitung übernehmen.

Falls ein Abbruch unumgänglich ist: Wie sieht die fairste Saisonwertung aus?
Es gibt keine faire Lösung.  Sicherlich wird der Verband bei seiner Entscheidung auch wirtschaftliche Aspekte mit einfließen lassen. Am Ende wird wohl auf der obersten Amateurebene, sprich Regionalliga, entschieden. Das wirkt sich in Sachen Auf- und Abstieg dann bis in die B-Liga aus. Müsste ich mich entscheiden, wäre ich wohl für eine Annullierung der Runde – ohne Auf- und Absteiger.
 
Zurück zum Fußballkreis Büdingen. Die Zahl der aktiven Schiedsrichter ist rückläufig (von 170 auf 112 in den vergangenen zehn Jahren). Haben Sie ein Patentrezept, wie Sie diese Entwicklung stoppen können? 
Wir müssen die jüngeren Schiedsrichter bei der Stange halten, in dem wir die Weiterbildung attraktiver gestalten und abseits des Platzes aufleben lassen. Das kann ein Abend an der PlayStation sein, oder eine Kombination aus Grillfeier und Lehrabend. 

Mit welchen Argumenten bringen Sie einen Jugendlichen an die Pfeife?
Aus der eigenen Erfahrung heraus kann ich sagen, dass das Schiedsrichterwesen sehr gut für die eigene Persönlichkeitsentwicklung ist. Man muss sich jeden Sonntag auf verschiedenste Charaktere einstellen und auf dem Spielfeld mit ihnen umgehen. Zudem können Jungschiedsrichter ihr Taschengeld aufbessern und vermeintlich schlechtere Fußballer als Unparteiischer weiter dem Hobby nachgehen. Sie bleiben so Bestandteil des Spiels. 

Sebastian Poth (m) beim Verbandsligaeinsatz in Steinbach mit seinen Assistenten Raik Noll (l) und Florian Höhl (r)

Gewalt gegenüber Schiedsrichtern war in den vergangenen Monaten ein großes Thema. Müssen die Täter noch härter bestraft werden, um wieder für mehr Sicherheit auf den Sportplätzen zu sorgen?
Ein heikles Thema. Ich bin gegen Pauschalstrafen, die einem Verein schaden.  Bei den Übeltätern muss hart durchgegriffen werden.

Ein großes Thema in der Vereinswelt ist die Bestrafung (Geld und Punktabzüge) wegen fehlender Schiedsrichter. Haben Sie einen anderen Lösungs
vorschlag?

Strafen werden bleiben! Dennoch werden wir uns mit diesem Thema auf dem nächsten Verbandstag beschäftigen. Es kommt ein anderes System, in dem Vereine mit fleißigen Schiedsrichtern belohnt werden und Vereine mit vielen Mannschaften mehr leisten müssen. Vereinfacht gesagt: Unter dem Strich muss ein Club pro Saison nicht mehr x Schiedsrichter stellen, sondern x Spiele besetzen.

Sie wurden für vier Jahre gewählt. Was wollen Sie in dieser Zeit erreichen? Und folgt eine zweite Periode?
Wir wollen die Arbeit im eigenen Kreis so attraktiv gestalten, dass wir keine weiteren Schiedsrichter verlieren. Die Zahl soll stagnieren, vielleicht können wir sogar ein Plus machen. Wir müssen die jungen Leute langfristig an uns binden, weil speziell der Mittelbau der 20- bis 35-Jährigen sehr schwach besetzt ist. Dann würde ich mich auf meine zweite Amtszeit freuen, sofern ich wiedergewählt werden sollte.